Die Neuen Brüder

(In English HERE!)

Folgender Aufruf von William MacDonald und Jean Gibson ist zwar schon über 20 Jahre alt, erscheint aber vielen sehr treffend die Situation im Deutschland des frühen 21. Jahrhunderts zu beschreiben, weshalb wir den Artikel übersetzen liesen und ihn hier unkommentiert zur Diskussion stellen wollen (überarbeitete Version; Links zu entsprechenden Diskussionsforen sind am Ende des Artikels angegeben).

William MacDonald & Jean Gibson*

In der Christenheit sind uns die Begriffe „neo-orthodox“ und „neo-evangelikal“ geläufig. Nun kommt wohl ein dritter dazu, und zwar:  „Neo-Brüder“.

In allen drei Fällen werden vertraute Worte benutzt. Neue Interpretationen haben allerdings zu völlig anderen Bedeutungen geführt. Im Falle der „Neo-Brüder“ tritt man für neue Ideen, neue Praktiken und viele Veränderungen ein, die sich alle deutlich von dem unterscheiden, was die Brüderbewegung bisher kennzeichnete. Wenn die ersten „Brüder“ einige dieser Gemeinden besuchen könnten, dann ist es sehr fraglich ob sie viel Ähnlichkeit mit dem finden würden, was sie einst als neutestamentliche Gemeindeprinzipien betrachteten.

Es ist klar, dass wir nie in Gewohnheiten erstarren dürfen, die nichts mit den Lehren des Neuen Testaments zu tun haben, mit Praktiken, die rein kulturell oder traditionell bedingt sind. Für einige dieser „Neo-Brüder“ ist es aber zur Gewohnheit geworden, Angelegenheiten als „traditionell“ oder „kulturbedingt“ zu brandmarken, die die Schrift klar als allgemeingültige Prinzipien oder Anordnungen lehrt.

Sie interpretieren die Bibel um, so dass sie in die aktuelle weltliche Kultur passt oder ihren eigenen Launen entspricht. Sie wollen als solche erscheinen, die den Prinzipien der Schrift wirklich treu sind – ändern und untergraben sie aber dabei auf raffinierte weise. Nachfolgend angeführt sind einige der Merkmale dieser „Neuen Brüder“, wobei natürlich nicht jeder Punkt gleichermaßen auf jeden Einzelnen von ihnen oder auf jede Gemeinde gleichermaßen zutrifft.

  1. Eine zunehmenden Betonung von Besucherzahlen geht einher mit einer Vernachlässigung von biblische Prinzipien und allem, was nur irgendwie ein quantitatives Gemeindewachstum stören könnte.
  2. Das Brotbrechen („Abendmahl“), seine allgemeine Bedeutung, seine Regelmäßigkeit und Häufigkeit und die Geist geleiteten Teilnahme der Brüder daran verliert mehr und mehr an Bedeutung. Die Zusammenkünfte scheinen mehr und mehr strukturiert und organisiert.

  3. Predigtthemen werden gewählt auf Grundlage ihrer Relevanz und Publikumswirksamkeit, d.h. das, was die Allgemeinheit will wird gepredigt, anstatt „der ganze Ratschluss Gottes“. Regelmäßig basieren die Predigtthemen mehr auf weltlicher Psychologie und modernem Sprachgebrauch als auf systematischer Auslegung der Schrift. Mit Elementen des Showgeschäfts angereichert wird die Predigt populär und gesellschaftsrelevant.

  4. Dinge, die wirklich zu geistlicher Erweckung führen, verschwinden mehr und mehr: Gebet, Sündenbewusstsein, Schuldbekenntnis, Buße und Gehorsam. Stattdessen vertraut man auf Gemeindewachstums- und -marketingstrategien. Das anstößige Kreuz fehlt mehr und mehr.

  5. Etliche Hirten lehren zwar die Gleichheit von Mann und Frau hinsichtlich ihrer Position als Erlöste in Christus (womit ja ohnehin alle übereinstimmen), versagen aber darin, ebenso anzuerkennen, dass sie von Gott unterschiedliche Rollen und Aufgaben in Gemeinde und Heim gegeben sind. Jede Lehre, die von der universellen Gleichheit von Mann und Frau abweicht, wird als traditionell überholt und als unterdrückend verdammt. Solche Meinungen würden angeblich der Gemeinde die Gaben und Fähigkeiten der Frauen rauben und das allgemeine Priestertum aller Gläubigen verleugnen. Und weil es möglicherweise für Gottesdienstbesucher befremdend oder anstößig sein könnte, werden Frauen oft aktiv davon abgebracht, eine Kopfbedeckung zu tragen.

  6. Der öffentliche Dienst im Gottesdienst wird weitgehend auf einen (oder wenige) Leute beschränkt – vorzugsweise auf professionell Ausgebildete. Dieses Prinzip würde aber selbst den Herrn Jesus und Seine Apostel disqualifizieren. Es gibt da oft auch wenig Gelegenheit für jüngere Brüder, ihre (biblischen) Gaben zu entwickeln.

  7. Zu oft gibt es eine verächtliche Haltung gegenüber Brüdergemeinden und deren Gemeindelehre. Gemeindeprinzipien werden lieber reduziert auf ein paar stark vereinfachende Qualifikationen die nahezu jede evangelikale Gemeinde erfüllen würde. Die frühen Leiter und Gründer der sogenannten „Brüderbewegung“ (allen voran J. N. Darby) werden dagegen sowohl öffentlich als auch privat einer schneidenden Kritik preisgegeben.

  8. Solche Leute, wie sie im vorangegangenen Absatz (Nr. 7) beschrieben wurden, wollen ihre Gemeinden jedoch weiterhin als Teil der „Brüderbewegung“ sehen. Auf diese Weise bewahren sie sich gewisse Vorteile und einen gewissen Einfluss, zeigen jedoch keine echte Loyalität zu den Prinzipien und Grundlagen dieser Bewegung.

  9. Die Tendenz ist es, alle wichtigen Dienste in dieser Bewegung in den Händen einiger weniger Vollzeit-Brüder zu konzentrieren – womit man sich eigentlich nicht mehr vom kirchlichen System unterscheidet, das die „Laien“ auf der einen und die „Geistlichen“ auf der anderen Seite hat. Immer öfters werden da sogar seelsorgerliche Hirtendienste an bezahlte Psychologen als „Fachleute“ verwiesen.

  10. Alles das hat zur Folge, dass die Gemeinden sich in zwei Parteien aufspalten. Diese Entzweiung wird noch dadurch gefördert, dass man Konferenzen oder Treffen veranstaltet und Arbeitsgemeinschaften oder Institute für die Erforschung der Geschichte der Brüdergemeinden ins Leben ruft. Obwohl dies recht harmlos erscheinen mag, werden diese Zusammenküfte und Arbeitsgemeinschaften doch dazu genutzt, die oben kurz skizzierte neue Lehre der „Neo-Brüder“ bekannt zu machen und zu verbreiten. Das alles hat eine Polarisierung der Gemeinden zur Folge

Es wäre viel aufrichtiger, ja offen und ehrlich seitens der Neuen Brüder, sich formell von der ‚Brüderbewegung‘ zu trennen (anstatt sie unterwandern und umwandeln zu wollen, Anm. d. Ü.) und eine eigene Gemeindebewegung nach ihrem eigenen Geschmack zu bilden. Es ist offensichtlich, dass wir eine Erweckung brauchen, ein frisches Wirken des Heiligen Geistes unter uns. Es gibt sehr viel für das wir Buße tun müssen. Was wir dabei aber keinesfalls dürfen ist, die Prinzipien der Heiligen Schrift aufzugeben. Wir müssen sie nur wieder besser praktizieren.

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* Erstveröffentlichung in: Uplook Magazine, März 1991; Online-Veröffentlichung auf: bitflow.dyndns.org; Übersetzung: jesaja662-Team, 2013

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Dieses Thema wird bereits andernorts diskutiert, und zwar:

Es lohnt sich wohl, mal die Argumente der verschiedenen Seiten und Ansichten zu lesen und zu prüfen.

Über Jesaja 66:2

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