Georg Walter*
Emergente Kontextualisierer fordern, die Kultur nahezu vorbehaltlos in den Gottesdienst, die Nachfolge unddie Mission zu integrieren – auch als „Inkulturation“ bezeichnet. Die Bibel indes sagt: „Passt euch nicht dieser Welt an“ (Rö 12,1-2). Christen sollen die Welt, und was in ihr ist, nicht lieben. Gewiss ist hier das rechte Maß gefragt zwischen Weltflucht und Weltsucht. Beides – weltflüchtig oder weltsüchtig zu sein – widerstrebt dem vollkommenen Willen Gottes. Kontextualisierer hingegen lassen allzu viele Schranken fallen und plädieren für die Akzeptanz der modernen Kultur in ihren vielfältigen Aspekten. Wundert es einen noch, dass sie in Fragen der Sexualität, Familie, Ehe, Musik u. a. dem Zeitgeist dieser Welt folgen.
Selbst die konservativsten unter den Vertretern der progressiven Theologie der Kontextualisation streben nach unvereinbaren Zielen. Sie wollen kulturell liberal sein – was heißt, sie wollen alles tun und lassen, was diese Welt tut -, aber gleichzeitig wollen sie theologisch konservativ bleiben – was heißt, sie wollen an Gottes Wort mit allen seinen Segnungen und Verheißungen, aber auch mit allen seinen Geboten festhalten. Wie kann eine Seele so gespalten sein, dass sie theologisch liberal und konservativ zugleich sein will, dass sie zwischen Leben als Christ und Leben in dieser Welt eine künstliche Trennung aufrichtet.
Die Emerging Church Bewegung, die mittlerweile auf Resonanz in fast allen christlichen Kirchen, Denominationen und Gemeindebewegungen gestoßen ist, hat sich der Kontextualisierung verschrieben wie keine andere Bewegung. Die ökumenische, teilweise sogar interreligiöse, Ausrichtung dieser Bewegung ist unverkennbar – was letztlich auch die Frucht der Kontextualisierung ist. Selbst protestantische Freikirchen wie die Baptisten sind mittlerweile in den Sog der kontextualisierten Neudefinition des Christentums gekommen. Statt zu Jesus zu kommen und von Ihm zu lernen – wie die Schrift es sagt (Mt 11,29) -, oder sich vom Heiligen Geist in alle Wahrheit leiten zu lassen (Joh 16,13) – eine weitere wunderbare Verheißung der Schrift -, wenden sich einige der emergenten Vertreter der Baptisten in den USA – auch „Baptimergents“ genannt – nun ökumenischen Vorbildern zu, um von diesen zu lernen, wie der postmoderne Gottesdienst gestaltet werden muss.
Um dem postmodernen Menschen und seiner kulturellen Prägung entgegenzukommen, schlägt der „Baptimergent“ Mike Gregg vor: „Der postmoderne Mensch kommuniziert sowohl durch Technologie und die Online-Communitys (Netzgemeinschaften) wie Facebook als auch durch Zellgemeinschaften, die sich in Häusern, Bars oder Cafés treffen… Church 101 [eine Baptistengemeinde mit emergenter Ausrichtung] versucht, die Bindung des postmodernen Menschen an ein Gemeindegebäude aufrechtzuerhalten, indem sie das Gefühl der Veränderung und der Kleingruppenatmosphäre anspricht. Church 101 trifft sich an Orten, die traditionell, zeitgenössisch, informell oder formell sind… Geht es um ein Thema, das heiliger ist und dem Taizé-Stil nachempfunden werden soll, ist eine kleinere Kapelle mit Stühlen anstatt Kirchenbänken hilfreich.“1
Gregg teilt seinen Lesern, die möglicherweise bislang noch nie etwas von Taizé gehört hatten, mit, was die ökumenische Gemeinschaft von Taizé charakterisiert: „Die Gemeinschaft vonTaizé ist eine ökumenische Ordensgemeinschaft, deren Gottesdienste Gesänge, Ikonen, Meditationen und Schriftlesungen beinhalten. Der Gottesdienst von Taizé stellt Gebet und Musik stärker in den Mittelpunkt als die Predigt – in einem traditionell protestantischen Sinne.“2 Und damit spricht Gregg, der sich selbst als Baptist und damit als Protestant sieht, eine Empfehlung für unreformatorische Lehren und Praktiken aus.
Luther und die anderen Reformatoren betrachteten die Bilderverehrung (Ikonen) als Götzendienst. Sie reformierten den Kirchengesang, der für sie die Wahrheit des Evangeliums ins Zentrum rücken sollte, anstatt die Seele in einer mystischen Weise anzusprechen, wie die gregorianischen Gesänge es taten, die überdies für die wenigsten verständlich waren, da sie in Latein gesungen wurden. Lieder waren für die Reformatoren gesungene Predigten. Und schließlich verurteilten die Reformatoren jegliches schwärmerisch-meditatives Christentum, das die katholische Kirche über Jahrhunderte gepflegt hatte. Stattdessen wurde die Verkündigung zum Mittelpunkt des Christen- und Gemeindelebens erhoben – bekannt geworden unter dem reformatorischen Motto Sola Scriptura, allein die Schrift.
Manche Erben der Reformation, und dazu gehören die Baptisten als einer der vielen protestantischen Strömungen, verschachern ihr protestantisches Erbe für das Linsengericht mystischer Erfahrungen. Aus Sola Scriptura wird Sola Experientia (allein die Erfahrung). Solus Christus (allein Christus) als ausschließlicher und einziger Weg zum Heil kann man dem postmodernen Menschen mit seinem pluralistischen Denken nicht weiter zumuten, so das Credo der Emerging Church. Exklusivismus – es gibt nur einen Heilsweg – ist out, Inklusivismus – Gott kann man in allen Religionen erfahren – ist in.
Nach der Sintflut vermehrten sich die Menschen und es entstanden 21 Nationen. Sie alle sprachen „eine einzige Sprache und hatten dieselben Worte“ (1Mo 11,1). Inmitten dieser Nationen, die von Gott abgefallen waren, lebte ein gläubiger Überrest, der den verheißenen Samen, den Erlöser Jesus Christus, hervorbringen sollte. So gab es in jener Zeit zumindest zwei Arten von Religionen unter den frühen Menschen, die widergöttliche Kains-Religion und die gottesfürchtige Abels-Religion. Wahrscheinlich hatte sich die Kains-Religion in jener Zeit bereits in viele weitere Religionen aufgesplittert. „Und sie sprachen: Wohlan, lasst uns eine Stadt bauen und einen Turm, dessen Spitze bis an den Himmel reicht, dass wir uns einen Namen machen, damit wir ja nicht über die ganze Erde zerstreut werden!“ (1Mo 11,4). Die Menschen waren sich einig, sie sprachen die gleiche Sprache und nutzten dieselben Worte, und nun wollten sie in Rebellion gegen Gottes Ratschluss ein zentrales Monument ihrer Stärke schaffen.
Was hätten sie wohl mit dem gläubigen Überrest gemacht, im Falle, dass dieser sich weigerte, an diesem Unternehmen teilzuhaben? Gewiss wäre man ihm nicht sehr freundlich begegnet. Doch Gott lässt es gar nicht so weit kommen und zerstört die menschlichen Pläne der Gottlosen. Spiegelt sich in dem Vorhaben der ersten Menschen nicht dieser uralte Wunsch wider, eine universelle Einheit schaffen zu wollen? Sicherlich dachten die Planer des Turms von Babylon, dass in allen Religionen und Kulturen etwas Gutes vorhanden sei. Sie waren die ersten Kontextualisierer der Menschheit. Die unterschiedlichen Kulturen und Religionen wollten sie nicht abschaffen, sondern in dem entstehenden Babelskult vereinen. Die neuen, progressiven Gläubigen des Babelskultes würden ihre eigenen Religionen beibehalten und gleichzeitig die Religion Babels praktizieren. Dies waren die Pläne eines gefallenen Geschlechts, das seine Orientierung verloren hatte. Sie kannten die Wege Gottes nicht mehr und ihnen fehlten die Führer, die sie in die richtige Richtung wiesen.
Hält man einen Kompass in der Hand, wird sich die Kompassnadel parallel zu den Feldlinien des Erdmagnetfeldes in Richtung der Erdpole immer nach Norden einjustieren und damit die nördliche Richtung vorgeben. Egal, in welche Richtung sich ein Mensch dreht oder wie oft er sich um seine eigene Achse drehen mag, die Kompassnadel weist stur in eine Richtung. Die magnetischen Kräfte sind für dieses Phänomen verantwortlich. Dies ist ein wunderbares Bild für den wahren Nachfolger Christi. Die Kraft des Heiligen Geistes und die Wahrheit des Wortes Gottes sind ihm ein Wegweiser, der unbeirrt und unveränderlich die Richtung angibt. Der Nachfolger Christi mag seine Richtung ändern oder andere Wege einschlagen, doch der geistliche Kompass weist zuverlässig und unerschütterlich stets in dieselbe Richtung.
Kontextualisierer sind nicht nur selbst vom Weg abgekommen, sondern sie weisen ihre Nachfolger in eine falsche Richtung. Nur eine Rückbesinnung auf die Bibel in ihrem wahren Sinn wird den Weg in die richtige Richtung weisen können. Wie religiös, theologisch, human, friedfertig, ökumenisch oder sozial sich die emergenten Vertreter auch geben mögen, wahre geistliche Einheit kann niemals anders entstehen als auf der Grundlage der Wahrheit des Evangeliums.
Wollen wir uns von dem Kompass des ewigen Evangeliums leiten lassen!
Quellen:
- Mike Gregg, „Emerging Worship: A Postmodern Experiment.“ In: Zach Roberts, Baptimergent – Baptist Stories from the Emergent Frontier. Kindle Edition, 10. März 2010. Kapitel 4.
- Ebd.
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*Original veröffentlicht von distomos.blogspot.de
Siehe hierzu auch die weiterführenden Artikel unter MISSION, GEMEINDEBAU & EVANGELIUM:
- Evangeliums Flyer und Traktate
- Evangelium und Evangelisation
- Mission, Gemeindebau, Gemeindewachstum
- Gesundes Gemeindewachstum
- Lebensäuserungen einer gesunden Gemeinde
- Christliche Mission – Was ist das wirklich?
- Mission – Evangelium – Bibelübersetzung
- Die-postmoderne-emergent-kontextuale-Gemeindebewegung, die überall Eizug hält
- Islam-Koran-Bibel
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